Plyometrie

Geringer Aufwand, hoher Benefit mit plyometrischem Training.

Wagen Sie den Sprung ins nächste Fitnesslevel mit Plyometrie. Plyometrisches Training ist ein Sprung-, bzw. Wurfkrafttraining, das durch seinen geringen Zeitaufwand von lediglich 25-30 Minuten pro Einheit innerhalb kürzester Zeit für einen umso höheren Trainingseffekt sorgt: Explosive Übungen bringen dem Körper Power und Schnelligkeit, die Leistungsfähigkeit wird rasch gesteigert und insbesondere Athleten schaffen den Sprung auf die nächste Kraftstufe ohne ungewollten Muskelzuwachs.

Bereits in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts haben sich Forscher aus Schweden, Italien und der Sowjetunion mit der Terminologie Plyometrie beschäftigt.  Yuri Verkhoshansky kann dabei als Vater der Plyometrie bezeichnet werden, auch wenn in dieser Zeit noch von einem „Schocktraining“ oder „Sprungtraining“ gesprochen wurde, bzw. vom sogenannten Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus. Erst später wurde der Begriff der Plyometrie durch Fred Wilt geprägt. In den 90er Jahren war Plyometrie bereits ein fester Bestandteil des Trainings für Athleten und nahm ab 2004 stark an Bekanntheit zu. Unter anderem durch Mark Verstegen, damaliger Athletiktrainer der deutschen Fußballnationalmannschaft, der plyometrische Übungen der breiteren Masse bekannt machte.

In der Fachliteratur werden Plyometrie und der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) von mehreren Autoren synonym verwendet, da beide Begriffe häufig dieselben Bewegungsabläufe beschreiben. In physiologischen Kontexten steht meist der DVZ im Vordergrund, um Aktivitäten wie Sprinten, Springen und Werfen zu beschreiben. Im Bereich Rehabilitation und Kondition hingegen nutzt man häufiger den Begriff Plyometrie, wenn diese Bewegungen im Training angewendet werden.

Viele sportliche Bewegungen, wie z.B. Wurf und Sprung, sind geprägt von Aushol- und Landebewegungen.  In all diesen Bewegungen kommt es immer zu einem DVZ. Dies bedeutet, dass es zu einem schnellen Wechsel zwischen einer exzentrischen und konzentrischen Muskelaktion kommt. Im DVZ ist also nicht nur die konzentrische Muskelaktion von Bedeutung, sondern auch die exzentrische sowie die elastischen Speicherungskräfte von Muskeln, Sehnen und Bändern.  Durch die Vordehnung in der exzentrischen Phase kann mehr Kraft in der konzentrischen Phase erzeugt werden als in einer reinen konzentrischen Aktion. Vereinfacht kann man dies am Beispiel eines Gummibands erklären: Zieht man ein Gummiband lang wird Spannung aufgebaut bzw. Energie aufgenommen. Lässt man daraufhin das Gummiband los, schnellt es wieder in seine Ausgangsposition zurück. Das Gleiche passiert im Muskel, denn bei der exzentrischen Kontraktion speichert der Muskel die Energie kurzzeitig. Kommt es ohne Pause zu einer konzentrischen Aktion wird diese Energie genutzt, um eine größere Kraftentwicklung zu entfalten. Je schneller und stärker die exzentrische Bewegung ist, desto mehr Kraft kann auch bei der konzentrischen Bewegung freigesetzt werden. Des Weiteren ist das zentrale Nervensystem beim DVZ stark beteiligt, da die Übung eine Kombination aus unwillkürlichem Reflex und schneller Muskelkontraktion ist und daher einen neuronalen Vorgang darstellt.

Bewegungen lassen sich darüber hinaus in einen langen DVZ und einen kurzen DVZ unterscheiden. Der lange DVZ äußert sich durch große Winkelbewegungen in Hüft-, Knie- und Sprunggelenk und eine Bewegungszeit von mehr als 250ms (z.B. Sprünge zum Block beim Volleyball oder Sprungwurf im Basketball etc.). Der kurze DVZ ist durch kleine Winkelbewegungen und Bewegungszeiten von 100-250ms gekennzeichnet (z.B. Sprint, Hochsprung etc.).

Plyometrische Übungen werden in verschiedene Phasen unterteilt. Diese Einteilung ist in der Fachliteratur teilweise unterschiedlich. Entweder werden plyometrische Übungen in zwei Phasen unterteilt, die exzentrische und die konzentrische Aktion, oder in drei Phasen. In diesem Fall wird eine weitere Phase zwischen dem Übergang von exzentrischer zu konzentrischer Aktion hinzugefügt. Die Fachliteratur nennt diese Phasen loading, coupling und unloading.

Loading Phase (exzentrische Phase)

Die Initialphase einer plyometrischen Bewegung, die mit einer schnellen Muskelverlängerung verbunden ist, nennt man Loading Phase. Diese Phase wird teilweise in der Fachliteratur auch anders benannt, z.B. excentric, deceleration or cocking Phase. Die Loading Phase einer plyometrischen Übung findet dann statt, wenn die Muskel-Sehnen-Einheit der Hauptmuskeln und deren Synergisten als Ergebnis kinetischer Energie gedehnt werden. Die kinetische Energie kann sich dabei von der vorhergehenden Aktion, z.B. einem vorhergehenden Sprung (Abbildung 1), ableiten. Das Stretchen der Muskel-Sehnen Einheit während der Loading Phase löst den DVZ aus, was eine erhöhte Kraftproduktion und Leistung zur Folge hat. Die Loading Phase beginnt, wenn die Muskel-Sehnen-Einheit anfängt der Schwerkraft, oder einer vorhergehenden Bewegung zu widerstehen.

Coupling Phase (isometrische Phase)

Der Übergang zwischen der Loading und Unloading Phase einer plyometrischen Übung wird als Coupling Phase bezeichnet. Die Coupling Phase ist die maßgebliche Phase einer plyometrischen Übung, die letztlich die vom DVZ gewonnen synergetischen Effekte bestimmt. Wenn der Übergang zwischen der Loading und Unloading Phase zu lange dauert, wird die gewonnene Energie in Wärme umgewandelt und der Effekt der Kraftsteigerung verpufft. Die ideale Coupling Phase sollte daher nicht länger als 15 ms betragen und Athleten sollten sichtbare Pausen in ihrer Bewegung möglichst vermeiden.

Unloading Phase (konzentrische Phase)

Die Unloading Phase tritt unmittelbar nach der Coupling Phase ein und geht mit einer Verkürzung der Muskel-Sehnen-Einheit einher. Sie beginnt mit der Aufwärtsbewegung und endet, wenn die Zehen nicht mehr länger den Boden berühren. In dieser Phase zeigt sich die ganze Kraftentfaltung, welche durch die gespeicherte Energie, die Muskelpotenzierung und den Dehnungsreflex freigesetzt wird.

Abbildung 1: Die drei Phasen einer plyometrischen Übung (Chu, S. 4, 2013)

Vorteile von plyometrischem Training

  • Rascher und ausgeprägter Kraftgewinn ohne Muskelmassenzunahme
  • Verbesserung der Sprungkraft im Unterkörper
  • Verbesserung der Wurfkraft im Oberkörper
  • Vorteile in Reaktiv- und Explosivkraftsportarten
  • Beachtliche Kraftzunahme bei hochgradig austrainierten Sportlern
  • Verbesserung der Reizleitung zwischen Gehirn und Muskeln
  • Verbesserung von Reaktionsgeschwindigkeit und Koordination

Nachteile von plyometrischem Training

  • Hohe psychophysische Belastung
  • Erhebliches Verletzungsrisiko bei unsachgemäßer Durchführung
  • Erfolg nur bei richtiger Dosierung (z.B. richtige Fallhöhe)
  • Aktiver und passiver Bewegungsapparat muss gut vorbereitet sein
  • Bedingt möglich für Anfänger

Beim plyometrischen Training steht hauptsächlich die Qualität der Übungen im Vordergrund und nicht die Quantität. Plyometrische Übungen sollten also mit der maximalen Leistungsfähigkeit durchgeführt werden und nicht in einem ermüdeten Zustand. Starke Belastung wirkt auf Muskeln, Sehnen, Bänder und Knochen, weshalb ein Grundniveau an Kraft vorhanden sein sollte, um ein plyometrisches Training qualitativ durchzuführen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Anfänger nicht auch ein solches Training absolvieren können. Allerdings muss hierbei auf eine sehr geringe Intensität geachtet und die plyometrischen Übungen sehr sauber ausgeführt werden. Darüber hinaus sollten Anfänger zeitgleich ein Aufbautraining absolvieren, um die erhöhten Belastungen bewältigen zu können.

Vor jeder Einheit ist ein intensives und spezifisches Warm-Up von mindestens 15 Minuten durchzuführen, um den Bewegungsapparat für die Belastung vorzubereiten.

Eine weitere Voraussetzung ist eine saubere Technik. Alle Übungen müssen sauber durchgeführt werden, da es andernfalls zu Verletzungen am aktiven und passiven Bewegungsapparat kommen kann. Zu Beginn sollten daher eher einfache Übungen ausgewählt werden damit sich der Körper verletzungsfrei an die neue Belastung gewöhnen kann.  Aufgrund der Tatsache, dass plyometrisches Training eine neuro-muskuläre Belastung ist, muss die Intensität genau gesteuert werden, da es andernfalls zu Überbelastungen des aktiven und passiven Bewegungsapparats kommen kann. Niedrige und schnelle Sprünge haben eine eher geringe Intensität, während hohe und weite, oder tiefe Sprünge vermehrt eine hohe Intensität haben. Ist ein Trainingsprogramm über mehrere Wochen angesetzt wird immer mit niedrigen und schnellen Sprüngen begonnen und die Intensität dann über die Zeit gesteigert.  

Es ist wichtig, nicht mehr als 1–2 Einheiten pro Woche durchzuführen, da das Nervensystem teilweise bis zu vier Tagen benötigt, um sich zu regenerieren.

Plyometrisches Training lässt sich ortsunabhängig durchführen, da hauptsächlich das eigene Körpergewicht genutzt wird. Für Fitnessstudios bietet es sich dabei im Besonderen an, da den Kunden eine neue Trainingsform angeboten werden kann. Das plyometrische Training ist abwechslungsreich, intensiv und dauert maximal 25-30 Minuten, in denen sich die Kunden gut auspowern können. Fortgeschrittene setzen somit einen neuen Trainingsreiz und können sich weiter verbessern. Meist steht passendes Equipment wie Hanteln, Stepper, Plyoboxen, Medizinbälle und Pezzibälle bereits in den Studios zur Verfügung.

Es gibt mehrere Möglichkeiten für Studios ein plyometrisches Training zu etablieren: Fortgeschrittene können einen individuellen Trainingsplan erhalten, der genau auf ihr Leistungsniveau abgestimmt ist und ihre Leistungsfähigkeit deutlich verbessert. Für Anfänger empfiehlt sich eine intensive 1:1 Betreuung, die beispielsweise ins Personal Training Konzept des Studios integriert werden kann. Eine weitere Möglichkeit stellt ein Plyometrie-Kurs dar. Beispielsweise bietet Les Mill mit dem Kurs „Grit Plyo“ ein intensives plyometrisches Training an, das auf 30 Minuten begrenzt ist. Bei Vorhandensein eines Functional Training Bereichs lässt sich dieser um Plyoboxen erweitern, sodass erfahrene Trainer mehrmals wöchentlich 25-minütige Functional/Plyometrie-Einheiten anbieten können, um Kunden auf diese Trainingsform aufmerksam zu machen. Vorab sollte jedoch ein detailliertes Konzept ausgearbeitet werden, um ein gut abgestimmtes Training zu gewährleisten. Der Trainer sollte dabei auf Erfahrung in dieser Materie zurückgreifen können, um die Trainierenden ausführlich über Vor- und Nachteile sowie Risiken des Trainings aufklären zu können.

Wie bei allen Trainingsplänen existiert auch für das plyometrische Training kein universeller Plan. Jeder Trainingsplan passt sich individuell dem Leistungsniveau des Athleten an, um Über- oder Unterforderung zu vermeiden. Grundsätzlich sind folgende Punkte zu beachten:

  • Spezifisches Warm-Up (10-15 Minuten)
  • Sinkender Umfang bei steigender Intensität
  • Explosive Bewegungsausführung
  • Trainingsplan von mindestens 6 und maximal 8 Wochen
  • 1-2 Einheiten pro Woche
  • Dauer: 10-25 Minuten, je nach Niveau und Intensität
  • 6-10 Wiederholungen pro Übung
  • 2-3 Sätze für Anfänger, 3-5 Sätze für Fortgeschrittene
  • 5-10 Sekunden Pause zwischen den Sprüngen
  • 2-3 Minuten Pause zwischen den Sätzen
  • Idealerweise 3-4 Tage Regeneration zwischen den Einheiten

Die folgenden Übungen sind Beispiele zur Ausgestaltung eines plyometrischen Trainings. Im ersten Teil werden Übungen für die unteren Extremitäten vorgestellt, im zweiten Teil für den Oberkörper und die oberen Extremitäten.

Übungen untere Extremitäten

Übungen Oberkörper

Einbeinige Seitsprünge

  • Level: leicht
  • Equipment: kein Equipment
  • Ausführung: Auf einem Bein stehen und seitlich von einem zum anderen Bein springen

Standweitsprung

  • Level: leicht
  • Equipment: kein Equipment
  • Ausführung:
    • Ausgangsposition: Beine schulterbreit in einer halben Kniebeuge
    • Auftaktbewegung mit Armen und Beinen und dann soweit wie möglich vorwärts springen

Boxsprung

  • Level: leicht bis mittel
  • Equipment: Plyoboxen in verschieden Höhen
  • Ausführung:
    • Ausgangsposition: Schulterbreiter Stand am Boden
    •  Auftaktbewegung mit den Armen, leicht in die Kniebeuge gehen und auf die Box springen

Gesprungene Ausfallschritte

  • Level: mittel
  • Equipment: kein Equipment
  • Ausführung:
    • Ausgangsposition: Ausfallschritt
    • Hochspringen mit Unterstützung der Arme, Ausfallschrittposition wird beibehalten, Landung wieder in der Ausgangsposition

Gesprungene Liegestütz

  • Level: schwer
  • Equipment: kein Equipment
  • Ausführung:
    • Ausgangsposition: Liegestütz
    • Tief gehen und explosiv abdrücken, so dass die Hände vom Boden abheben. Zusätzlich kann in die Hände geklatscht werden

Chest Pass

  • Level: mittel
  • Equipment: Medizinball und Partner
  • Ausführung:
    • Ausgangsposition: Schulterbreiter Stand, Medizinball vor der Brust halten, Blick zum Partner
    • Explosiver Druckball zum Partner

Russian Twist

  • Level: mittel
  • Equipment: Medizinball
  • Ausführung:
    • Ausgangsposition: angestellte Beine, Oberkörper in einem Winkel von 45° vom Boden abgehoben, Ball wird mit ausgestreckten Armen vor der Brust gehalten
    • Oberkörperrotation von links nach rechts, der Ball berührt dabei nicht den Boden

Plyometrisches Training verbessert gezielt Sprung- und Wurfkraft, die besonders für reaktive und Explosivkraftsportarten entscheidend sind. Das Training fördert einen schnellen und deutlichen Kraftzuwachs ohne Muskelaufbau und ist deshalb sowohl für Leistungssportler als auch ambitionierte Hobbysportler essenziell. Ein plyometrischer Trainingsplan sollte mit einfachen, niedrigintensiven Übungen beginnen, damit sich der Bewegungsapparat an die Belastung anpassen kann. Trotz der leichten Durchführung und des geringen Zeitaufwands ist die Intensität dieses Trainings hoch und darf nicht unterschätzt werden. Insbesondere Anfänger sollten daher plyometrisches Training stets unter Aufsicht erfahrener Trainer absolvieren.

Quellen:

Boyle, M. (2012). Fortschritte im Functional Training: Neue Trainingstechniken für Trainer und Athleten (2nd ed.). München: riva.

Brown, L., Ferrigno V. (2015). Training for Speed, Agility & Quickness (3rd ed.). USA: Human Kinetics

Chu, D., Myer,G. (2013). Plyometrics.  USA:  Human Kinetics

Hohmann, A., Lames, M., & Letzelter, M. (2007). Einführung in die Trainingswissenschaft (4th ed.). Wiebelsheim: Limpert.

Weineck, J. (2010). Optimales Training: Leistungsphysiologische Trainingslehre unter besonderer Berücksichtigung des Kinder- und Jugendtrainings (16th ed.). Balingen: Spitta